Samstag, 6. Mai 2006

Amoklauf gegen die Wirklichkeit* - die "Auschwitzlüge"

Wichtige geschichtliche Ereignisse haben im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts immer wieder eine ganze Reihe von Skeptikern und Verschwörungstheoretikern auf den Plan gerufen. Das geht vom Attentat auf John F. Kennedy, über die Mondlandung bis hin zu 9/11. Warum sollte es sich also mit dem Holocaust anders verhalten? Schließlich kann die Dimension der Grausamkeit und der Unmenschlichkeit den Einzelnen zuweilen schon einmal überfordern. Trotzdem ist das Leugnen und Verharmlosen der Verbrechen der NS-Zeit nicht das Werk einzelner Skeptiker, sondern wird vielmehr immer wieder von rechtsradikalen Gruppierungen herangezogen, um die Gräueltaten zu entschuldigen oder zu relativieren. Das alles geschieht mit dem Ziel der Rehabilitierung des „Dritten Reiches“.

Über viele Jahre hinweg wurden diese selbsternannten „Revisionisten“ von der fachwissenschaftlichen Welt ignoriert. Einerseits ist dies verständlich, schließlich ist die Widerlegung ihrer „Thesen“ mit dem umfassenden ausgewerteten Quellenmaterial zur NS-Zeit ziemlich leicht, teilweise reicht hierfür auch Mittelschulwissen. Durch das Ignorieren dieser „Thesen“ konnten die „Revisionisten“ allerdings über mehrere Jahre hindurch quasi ungehindert zum Thema publizieren und ihre Ansichten verbreiten. Die „Argumentationsweise“ ist dabei immer dieselbe: Vorgänge werden aus dem historischen Zusammenhang gerissen und hochstilisiert, einzelne Ungereimtheiten in den tausenden Zeugenaussagen werden herangezogen um das Gesamte in Frage zu stellen. An einer echten wissenschaftlichen Diskussion ist man freilich nie interessiert.

Da mein Blog immer bemüht ist auch den Aspekt „neue Medien“ mit zu berücksichtigen, muss an dieser Stelle besonders darauf hingewiesen werden, dass das Internet bis heute das ideale Medium ist um sich neonazistisch zu präsentieren. Obwohl der Tatbestand der Wiederbetätigung längst auf das Internet ausgedehnt wurde, ist es kein Problem sich bequem von zu Hause aus mit Apologien der „Auschwitzlüge“ zu versorgen. Es ist müßig zu erwähnen, dass gerade auch in Österreich gewisse Teile dieser „revisionistischen“ Thesen immer wieder in der Öffentlichkeit auftauchen, teilweise sogar mit beunruhigendem medialen Echo. Insbesondere die These von einem „gerechten Verteidigungskrieg“ gegen die Sowjetunion ist immer wieder zu vernehmen, in besonders unappetitlichen Fällen kann das sogar bis zur Leugnung von Gaskammern gehen. Bei den selbstverständlich folgenden Prozessen wird dann meist feige versucht sich herauszuwinden, wie der jüngste Fall gegen John Gudenus zeigt, der nun seiner gerechten Strafe entgegen tritt.

Beunruhigend ist, wie ich finde, allerdings nicht nur die offenbar unverbesserlichen Ewig-Gestrigen, sondern vor allem dass diesen Personen in der Öffentlichkeit oftmals viel Raum gelassen wird. In zahlreichen Fällen muss man sogar feststellen, dass viele den rechten „Thesen“ nur wenig bis gar nichts entgegenzusetzen haben, ein wahrhaft unerträglicher Zustand. Besonders zu empfehlen ist deshalb eine Publikation des DÖW, die Schritt für Schritt die „Argumente“ der „revisionistischen“ Propaganda aufgreift, und widerlegt. Für jeden Geschichtsstudenten – auch wenn man primär nicht an Zeitgeschichte interessiert ist – wäre diese Lektüre auf jeden Fall zu empfehlen.

*Das Zitat "Amoklauf gegen die Wirklichkeit" stammt vom Müncher Historiker Martin Broszat.

Literaturtipp:
Bailer Brigitte, Benz Wolfgang, Neugebauer Wolfgang (Hgs.), Wahrheit und "Auschwitzlüge". Zur Bekämpfung "revisionistischer" Propaganda, Wien 1995

Links:
Dossier zur "Causa Gudenus" auf derstandard.at

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Geschiten besser
ich fande es vorher auch viel besser.
HGH und Daniel (Gast) - Sa, 27. Okt, 00:29
Noch ein Kommentar für...
Auch ich habe in diesem Weblog regelmäßig mitgelesen...
Christa (Gast) - Do, 10. Aug, 23:53
Kommentar Schmale
Lieber Herr Pumberger, Ihre Weblogs wurden gelesen,...
Schmale - Di, 1. Aug, 16:15
das erste kommentar für...
na klar hab ich bei den anderen weblogs mitgelesen....
LaFlaca (Gast) - Di, 1. Aug, 10:54
Kommentar zur Variante...
Der letzte Beitrag muss sich natürlich mit der Vorlesung...
stephan.pumberger - So, 30. Jul, 23:23

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